Springe direkt zu Inhalt

Open Access und die VG Wort - Sind Open-Access-Publikationen mit dem Wahrnehmungsvertrag der VG Wort kompatibel?

Bei der Veröffentlichung wissenschaftlicher Texte im Open Access ist für Autor*innen häufig unklar, ob dies mit einem vorher geschlossenen Wahrnehmungsvertrag mit der Verwertungs­gesellschaft Wort (VG Wort) vereinbar ist. Die grundlegende Frage, ob hierbei Konflikte entste­hen, und wenn ja welche, soll diese Handreichung klären.

Hintergrund

Die Publikation von Sprachwerken, und damit auch von wissenschaftlichen Texten, geht mit zahlreichen Möglichkeiten der Nachnutzung und Vervielfältigung einher. Einige dieser Nutzungen sind durch sogenannte Schrankenregelungen im Urheberrecht auch ohne die Zustimmung der Autor*innen möglich. Für diese Nachnutzungen bestehen jedoch gesetzliche Vergütungsansprüche, bei wissenschaftlichen Publikationen insbesondere durch gesetzlich erlaubte Vervielfältigungen. Geltend machen dürfen Vergütungsansprüche in Deutschland nur Verwertungsgesellschaften.

Bei wissenschaftlichen Textpublikationen handelt es sich der Form nach in aller Regel um Sprachwerke, weshalb die zuständige Verwertungsgesellschaft die VG Wort ist. Diese wird für Autor*innen aktiv, sobald diese einen Wahrnehmungsvertrag mit ihr geschlossen haben. Um die Rechtewahrnehmung und Durchsetzung der Vergütungsansprüche möglichst effektiv durchzusetzen, ist es jedoch nötig, der VG Wort pauschal ausschließliche Nutzungsrechte an den eigenen, bisherigen sowie zukünftigen Sprachwerken einzuräumen. Dies führt häufig zu Verwirrung und Unsicherheiten darüber, ob es auch bei einem mit der VG Wort geschlossenen Wahrnehmungsvertrag möglich ist, eigene Publikationen im Open Access zu veröffentlichen.

Unter Open Access verstehen wir nicht nur die freie Zugänglichkeit zu wissenschaftlichen Werken, sondern auch deren freie Nachnutzung. Umgesetzt wird dies vor allem durch die Lizenzierung der Werke mit Creative-Commons-Lizenzen (CC-Lizenzen), durch die verschie­dene Nutzungsmöglichkeiten geregelt werden. Nach der Berliner Erklärung handelt es sich nur dann um eine Open-Access-Veröffentlichung, wenn das Werk unter der Lizenzvariante CC BY oder CC BY-SA veröffentlicht wurde. In der Regel wird die Rechteeinräumung an die Allgemein­heit unter Nutzung dieser Lizenzvarianten auch von Forschungsförderinstitutionen (DFG, BMBF, EU, etc.) verlangt. Und genau hier kann es zu Konflikten kommen, da eine kommerzielle Nachnutzung (wie sie z. B. häufig durch Lehr- und Lerninstitute gegeben und damit durch Autor*innen in den meisten Fällen auch gewünscht ist) nach dem Wahrnehmungsvertrag der VG Wort eigentlich zu unterbinden ist.

Rechtlich besteht ein grundsätzlicher Konflikt zwischen der ausschließlichen Übertragung von Nutzungsrechten an die VG Wort und einer späteren erneuten umfassenden Einräumung selbiger Nutzungsrechte an die Allgemeinheit mittels einer CC-Lizenz. Denn eine ausschließli­che Rechteübertragung kann eben nur ein einziges Mal erfolgen. In der Praxis treten diese Kon­flikte jedoch nicht auf und werden bisher von keiner Seite beanstandet oder verfolgt. Zudem sind zahlreiche Nutzungen, die im Konflikt mit dem Wahrnehmungsvertrag stehen würden, durch die Lizenzierung zwar nicht ausgeschlossen, aber zumindest unwahrscheinlich. Für die VG Wort ist der Umstand in der Praxis „ohne große Relevanz“.

Um sicherzugehen, können Wahrnehmungsberechtigte die betreffenden, problematischen Rechteübertragungen bei Abschluss des Wahrnehmungsvertrags mit der VG Wort ausnehmen oder, im Falle eines bereits geschlossenen Wahrnehmungsvertrags, diesen in Bezug auf die betreffenden Rechte kündigen. Siehe hierzu die Erläuterungen weiter unten.

Nach Einschätzung der VG Wort ist die Teilnahme am Ausschüttungsverfahren auch mit Publi­kationen, die unter einer CC-Lizenz veröffentlicht wurden, möglich. Die Ausschüttungen selbst sind, ebenso wie bei restriktiv lizenzierten wissenschaftlichen Publikationen, durch die oben erwähnten gesetzlichen Vergütungsansprüche gewährleistet.

Ja, dies ist möglich. Die notwendige Änderung kann vor einem Vertragsabschluss mittels der Ausnahme der betreffenden Rechte oder im Falle eines bereits geschlossenen Wahrnehmungs­vertrags durch die Kündigung des Vertrags bezogen nur auf die betreffenden Rechte (Teilkündi­gung) erfolgen. Hierbei sollte jedoch beachtet werden, dass diese Ausnahmen nur pauschal gelten und damit, ebenso wie der gesamte Wahrnehmungsvertrag, auch zukünftige Werke betreffen. Auch kann hier keine Regelung getroffen werden, die ausschließlich die unter einer CC-Lizenz veröffentlichten eigenen Werke betrifft. Die Ausnahmen gelten zukünftig für alle Publikationen der betreffenden Person.

Zur Umsetzung dieser Lösung liegt ein Praxisbericht samt einer Erläuterung und Mustervorge­hensweise für die notwendige Anpassung des Wahrnehmungsvertrags vor. Im Fall einer Teilkündigung müssen die ausgenommenen Rechte entsprechend gekündigt werden.

Zusammenfassung

Die Veröffentlichung von Open-Access-Publikationen – auch nach dem Verständnis der Berliner Erklärung – ist mit einem bestehenden Wahrnehmungsver­trag bei der VG Wort vereinbar. Grundsätzliche rechtliche Konflikte kommen praktisch nicht vor und lassen sich rechtssicher ausschließen. Zudem sieht die VG Wort nach eigener Aussage keine Probleme bei der gleichzeitigen Wahrnehmung von ausschließlich an sie eingeräumten Nutzungsrechten und frei zugänglichen und nach­nutzbaren wissenschaftlichen Textpublikationen und schließt auch eine Teilnahme am Melde- und Ausschüttungsverfahren nicht aus.